Mit Biologikatherapie die Kortikosteroide loswerden?
Bericht:
Reno Barth
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Orale Kortikosteroide sind die Standardtherapie bei Asthmaexazerbationen und werden auch bei COPD-Exazerbationen eingesetzt. Dieser Standard stützt sich allerdings auf alte Studien mit nach heutigen Maßstäben sehr überschaubaren Patientenzahlen. In Zukunft könnten Biologika auch im akuten Setting die Steroide ersetzen und damit die Toxizität der Therapie reduzieren.
Exazerbationen sind akute Verschlechterungen einer chronischen Erkrankung, die dazu führen, dass verstärkt medizinische Ressourcen in Anspruch genommen werden müssen. Im Falle von Asthma bronchiale bedeutet das, dass ein Trigger, wie beispielsweise ein banaler Infekt, die Symptomatik dermaßen verstärkt, dass es zu relevanten Veränderungen von Physiologie, Lungenfunktion und Inflammation kommt. „Exazerbationen werden heute weitgehend einheitlich mit oralen Kortikosteroiden und/oder Antibiotika behandelt“, so Prof. Dr. Mona Bafadhel vom King’s College London. Gerade der Einsatz systemischer Steroide stellt allerdings bei Patienten, die häufiger Exazerbationen durchmachen, ein erhebliches Problem dar. Bafadhel: „Wir haben seit 50 Jahren keine neuen Therapien für Exazerbationen entwickelt. Die Belastung unserer Patienten mit Kortikosteroiden ist hoch, die Behandlungserfolge sind von kurzer Dauer und Therapieversagen ist häufig.“ Bereits eine Woche Behandlung mit einer mittleren Kortikosteroiddosis erhöht das Risiko von Sepsis, venösen Thrombosen und Frakturen beträchtlich.1
Kleine Steroidstudien aus den 1990er-Jahren
Warum ist es also nicht gelungen, bessere Therapien für Exazerbationen zu entwickeln? Bafadhel führte dies unter anderem zurück auf unscharfe, weitgehend an der Symptomatik orientierte Definitionen von Exazerbationen, sowohl bei Asthma als auch bei COPD. Die Evidenz ist begrenzt und ein erheblicher Anteil der Patienten, die häufig exazerbieren, werden aus klinischen Studien ausgeschlossen. Das betrifft beispielsweise Raucher mit Asthma, Niemals-Raucher mit COPD sowie Patienten, die sowohl unter Asthma als auch unter COPD leiden. Zudem ist die verfügbare Evidenz alt. Die meisten Studien zu Kortikosteroiden bei Asthmaexazerbationen stammen aus den 1990er-Jahren, also aus einer Zeit, in der in dieser Indikation keine oralen, sondern intravenöse Steroide verwendet wurden. Insgesamt wurden in diesen Arbeiten rund 500 Patienten untersucht, nicht alle Studien verliefen positiv. Systemische Kortikosteroide zur Prävention von neuerlichen Asthmaattacken wurden überhaupt nur in vier Studien untersucht, von denen eine einzige (die mit intramuskulärem Methylprednisolon durchgeführt wurde) positiv endete, was allerdings zu einer positiven Metaanalyse führte.2
Im Falle der COPD ist die Evidenz für Kortikosteroide während der akuten Exazerbation zwar jünger, dafür aber noch dünner. Der größere Teil der verfügbaren Studien zeigte keinen signifikanten Vorteil, in der Metaanalyse ergibt sich jedoch ein knapp signifikantes Resultat zugunsten der Steroide.3 Auch in der Indikation COPD-Exazerbationen wurden weniger als 500 Patienten untersucht. Jedenfalls haben sich Kortikosteroide bei COPD-Patienten dosisabhängig als mit erhöhter Mortalität assoziiert erwiesen.4
Dennoch kommen die Cochrane-Reviews zu dem Schluss, dass der Einsatz von Kortikosteroiden bei Exazerbationen von Asthma oder COPD mangels Alternativen sinnvoll ist, erkennen jedoch Forschungsbedarf an.2, 3 Bafadhel empfahl allerdings, diese Schlussfolgerungen mit Vorsicht zu betrachten.
Hinter Exazerbationen können unterschiedliche Mechanismen stehen
Hilfreich könnte es sein, zwischen verschiedenen Endotypen der Exazerbationen zu differenzieren. So liegt bei 30 bis 50% der COPD-Exazerbationen eine erhöhte Eosinophilenzahl im Blut vor, aber auch Exazerbationen, bei denen Bakterien oder Viren dominieren, spielen eine Rolle. Dies könnte im klinischen Alltag im Sinne einer Personalisierung der Therapie nachgewiesen werden. Die Therapie anhand der Eosinophilen zu steuern, wurde in mehreren Studien untersucht, die die klinische Nichtunterlegenheit für diese Strategie zeigen konnten, so Bafadhel. Auf diesem Weg war es möglich, die Steroidexposition zu reduzieren, nicht jedoch die oralen Steroide gänzlich zu eliminieren.5–7 In der Indikation Asthma wurden bislang keine entsprechenden Studien durchgeführt.
Gegen Interleukin 5 gerichtete Biologika könnten eine Alternative zu den Steroiden darstellen und bewähren sich seit Jahren im langfristigen Management von Asthma. Daten zum akuten Setting fehlen allerdings weitgehend. Vor mittlerweile zehn Jahren wurde eine kleine Proof-of-Concept-Studie mit Benralizumab bei Asthmaexazerbationen als Add-on zu oralen Kortikosteroiden durchgeführt. Die Studie verfehlte ihren primären Endpunkt, die Vermeidung weiterer Exazerbationen innerhalb von 12 Wochen.8 Sehr wohl erfolgreich verlief die ABRA-Studie, in die Patienten mit Asthma, COPD oder Asthma plus COPD im Zuge einer akuten eosinophilen Exazerbation eingeschlossen wurden. Koprimäre Endpunkte waren Symptome zu Tag 28 und Therapieversagen zu Tag 90. Die Patienten erhielten entweder orales Prednisolon für fünf Tage plus Benralizumab, orales Prednisolon für fünf Tage plus Placebo oder Placebo plus Benralizumab. ABRA erreichte diese Endpunkte (Abb. 1). Zudem ergaben sich keine Unterschiede zwischen Benralizumab-Monotherapie und Benralizumab plus Prednisolon. Dieses Ergebnis war in allen Subgruppen konstant.9 Der Einsatz von Benralizumab reduzierte auch die kumulative Steroidexposition über 90 Tage. Nicht zuletzt wies Bafadhel auch auf bislang noch nicht publizierte Kostenvorteile der Biologikatherapie hin: „Prednisolon ist zwar billig, aber es funktioniert nicht besonders gut. Und Therapieversagen produziert massive Kosten.“
Abb. 1: ABRA-Studie: Kaplan-Meier-Plot der Zeit bis zum ersten Therapieversagen in der Prednisolon- (Prednisolon alleine; PRED) und der gepoolten Benralizumab-Behandlungsgruppe (Benralizumab-Monotherapie und Benralizumab plus Prednisolon; BENRA) (modifiziert nach Ramakrishnan S et al. 2025)9
Erhaltungstherapie: reduzierter Steroidbedarf mit Tezepelumab
Auch im Bereich der Erhaltungstherapie ist die Vermeidung oraler Steroide ein wichtiges Therapieziel, das durch Biologika erreicht werden kann. Dies zeigte zuletzt auch eine im Rahmen des ERS 2025 vorgestellte Post-hoc-Analyse der Phase-IIIb-Studie WAYFINDER, die die Reduktion des oralen Steroidbedarfs unter Therapie mit Tezepelumab in Zusammenhang mit Allergie und Blut-Eosinophilenzahl untersuchte.10
In WAYFINDER wurden die Patienten mit 210mg Tezepelumab alle vier Wochen über bis zu 52 Wochen behandelt. Die koprimären Endpunkte waren die Anteile der Patienten, die ohne Verlust der Asthmakontrolle ihre OCS-Erhaltungsdosis auf ≤5mg/Tag reduzierten oder OCS absetzten. Für die aktuelle Analyse wurden diese Endpunkte bei Patienten mit oder ohne Allergie (FEIA+) und anhand der Baseline-Blut-Eosinophilenzahl (BEC; <300 und ≥300Zellen/μL) ausgewertet. Eine Reduktion und ein Absetzen der OCS-Erhaltungsdosis wurden in allen Untergruppen nach 52 Wochen beobachtet. Die größte Patientenpopulation, die die koprimären Endpunkte erreichte, war jene der Patienten, welche sowohl allergisches Asthma hatten als auch BEC ≥300 Zellen/μL. Die Autoren folgern aus diesen Daten, dass es die Tezepelumab-Therapie ermöglicht, über verschiedene Asthmaphänotypen hinweg orale Kortikosteroide zu reduzieren oder abzusetzen, ohne die Asthmakontrolle zu verlieren, wobei die größte Wirksamkeit bei Patienten sowohl mit allergischem als auch eosinophilem Asthma beobachtet wurde.
Quelle:
„Biologics in airway disease exacerbations: time to replace systemic corticosteroids“, Vortrag von Prof. Dr. Mona Bafadhel, London, im Rahmen des ERS Congress 2025 am 29.September 2025
Literatur:
1 Waljee AK et al.: BMJ 2017; 357: j1415 2 Rowe BW et al.: Cochrane Database Syst Rev 2007; 3: CD000195 3 Walters JA et al.: Cochrane Database Syst Rev 2009; 1: CD001288 4 Tse G et al.: Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2023; 18: 2565-80 5 Bafadhel M et al.: Am J Respir Crit Care Med 2012; 186(1): 48-55 6 Sivapalan P et al.: Lancet Respir Med 2019; 7(8): 699-709 7 Ramakrishnan S et al.: Lancet Respir Med 2024; 12(1): 67-77 8 Nowak RM et al.: Am J Emerg Med 2015; 33(1): 14-20 9 Ramakrishnan S et al.: Lancet Respir Med 2025; 13(1): 59-68 10 Brussele G et al.: ERS 2025; Poster #2485
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