
Gräserpollensaison 2025 unter dem Einfluss des Klimawandels
Autoren:
Dr. Markus Berger1–3
Lukas Dirr, MSc3–5
1 HNO-Abteilung, Klinik Landstraße, Wiener Gesundheitsverbund
2 Allergiezentrum Wien West
3 Österreichischer Polleninformationsdienst
4 Institut für Botanik, Universität Innsbruck
5 Fakultät der Lebenswissenschaften, Abteilung für Strukturelle und Funktionelle Botanik, Universität Wien
E-Mail: markus.berger@pollenresearch.com
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Mit den sommerlichen Temperaturen startet die heurige Gräserpollensaison, die aufgrund der Artenvielfalt länger dauert als die anderer Pollen. Hinzu kommt, dass die vielen Regentage in den letzten Wochen das Wachstum der Pflanzen gefördert und mehrere Gräserarten gleichzeitig die Blüte erreicht haben. Dies und die deutlich erhöhte Ozonkonzentration in den Sommermonaten können die Symptomlast zusätzlich erhöhen.
Keypoints
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Aufgrund der Artenvielfalt der Süßgräser und der teils zeitgleichen Blüte kann sich die Belastungsperiode für Allergiker:innen verlängern und zusätzliche Belastungsspitzen können entstehen.
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Vermehrte Regenfälle und Überschwemmungen können die Freisetzung von Schimmelpilzsporen begünstigen.
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Die Hauptbelastungszeit bei Schimmelpilzsporen ist von Juni bis September, die Schimmelpilzallergie kann dadurch mit einer Gräser- oder Kräuterpollenallergie verwechselt werden.
In Österreich herrschen wieder sommerliche Temperaturen. Während sich etliche Menschen an dem Wetter erfreuen, gibt es auch einen bedeutsamen Anteil der Bevölkerung, der nun mit allergischen Beschwerden zu kämpfen hat. Die Gräserpollenallergie ist die häufigste Pollenallergie in Österreich – fast jede zweite Person mit einer Pollenallergie ist davon betroffen.1
Hinzu kommt, dass die Dauer der Gräserpollensaison die mit Abstand längste in Österreich ist. Beschwerden treten von Ende April/Anfang Mai bis Ende Juli/Mitte August auf. Grund hierfür ist die Artenvielfalt: Die Süßgräser (Poaceae) sind mit ca. 12000 Arten die fünftgrößte Pflanzenfamilie der Welt.2 Neben unzähligen natürlich vorkommenden Gräserarten, wie z.B. Glatthafer, Weidelgras oder Rispengras, zählen auch drei sehr weit verbreitet landwirtschaftlich genutzte Pflanzen zur Familie der Süßgräser: Weizen, Mais und Reis.
Gräsersaison 2025
Dauer und Intensität der Gräsersaison unterliegen, wie auch bei den anderen Pollensaisonen, jährlichen Schwankungen. Dieses Jahr kam es vor dem Start der ersten Hauptbelastungsphase zu einigen Regenschauern, wodurch das Wachstum der Pflanzen deutlich gefördert wurde. Das hat dazu geführt, dass zu Saisonbeginn mehrere Gräserarten gleichzeitig die Blüte erreicht haben. Dadurch haben Allergiker:innen deutlich höhere Belastungen zum Start der Saison verspürt als sonst üblich. Die Getreidearten, die im weiteren Verlauf der Saison (meist zwischen Ende Mai und Anfang Juni) zu blühen beginnen, können die Symptome zusätzlich verstärken. Aufgrund der züchtungsbedingt großen und schweren Pollenkörner ist dies allerdings nur in direkter Nähe zu Äckern für Allergiker:innen von Relevanz.
In höheren Lagen kommt es aufgrund anderer Witterungsverhältnisse zu einer zeitlich nach hinten verschobenen Vegetationsperiode. Mit relevantem Pollenflug muss daher erst von Mitte bzw. Ende Mai bis Ende August gerechnet werden.
In stark urbanisierten Bereichen kann die Belastungsperiode für Gräserpollen-allergiker:innen durch die Anpflanzung von Ziergräsern weiter verlängert werden und es kann zu zusätzlichen Belastungsspitzen kommen. Im Osten Österreichs kann es zudem verstärkte Belastungen durch das Schilf (Phragmites australis) geben, das ebenso zur Familie der Süßgräser zählt. Der Neusiedler See hat einen der größten Schilfgürtel Europas, und bei passenden Windbedingungen kann es nicht nur im direkten Umfeld, sondern auch in weiteren Teilen Ostösterreichs zu intensiven Allergiesymptomen im Spätsommer kommen.3
Einfluss des Klimawandels
Den Einfluss des Klimawandels und vor allem der Luftverschmutzung merken Gräserpollenallergiker:innen besonders stark. Während der heißesten Monate des Jahres werden auch die höchsten Ozonkonzentrationen gemessen. Grund hierfür ist die erhöhte UV-Strahlung, die mit Stickstoffoxiden von Verbrennungsmotoren reagiert und das Treibhausgas Ozon produziert. Erhöhte Ozonkonzentrationen können die Symptomlast bei Allergiker:innen zusätzlich verstärken.4
Die zunehmende Anzahl an Extremwetterereignissen kann die Situation weiter verschärfen. Thunderstorm-Asthma mit akuten Asthmaexazerbationen während starker Gewitter wird in Europa relevanter.5 Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch nicht geklärt, es wird allerdings davon ausgegangen, dass deutlich kleinere Allergenfragmente (Pollenkörner, die durch osmotische und physikalische Kräfte bersten) eine Rolle spielen könnten.
Vermehrte Regenfälle und Überschwemmungen können zudem die Freisetzung von Schimmelpilzsporen begünstigen.
Für Allergiker:innen in Österreich gehören Alternaria sp., Cladosporium sp., Epicoccum sp. und Aspergillus sp. zu den wichtigsten Schimmelpilzarten. Diese treten auch in der Natur auf und lieben warmes und feuchtes Wetter. Die Hauptbelastungszeit ist von Juni bis September, die Schimmelpilzallergie kann deshalb mit einer Gräser- oder Kräuterpollenallergie verwechselt werden. Zur Prävalenz der Schimmelpilzallergie gibt es nur wenige Daten, es wird jedoch davon ausgegangen, dass 5% der Bevölkerung gegenüber Schimmelpilzen sensibilisiert sind.
Tipps und Tricks
Für eine korrekte Behandlung sollte natürlich eine allergologische Vorstellung zur Austestung und Diagnosestellung erfolgen. Die Erstvorstellung sollte bald nach Ende der Beschwerden erfolgen, damit die Patient:innen Dauer und Intensität der Beschwerden noch gut in Erinnerung haben. Ein Termin bei niedergelassenen Allergolog:innen oder einem Allergiezentrum sollte daher gut geplant werden, vor allem in Hinsicht auf etwaige Wartezeiten.
Eine Gräserpollenallergie eignet sich aufgrund der weiten Verbreitung gut für eine allergenspezifische Immuntherapie. Auch in Hinsicht auf die Therapieplanung sollte daher ein Termin bei Fachärzt:innen nicht zu spät erfolgen.
Neben den verschriebenen Medikamenten kann auch eine optimierte Allergenkarenz die Beschwerden lindern. Während der warmen und wechselhaften Sommertage ist eine aktuelle Polleninformation hierfür essenziell.
Zusätzlich können Betroffene die Beschwerden mit einer FFP-2-Maske, einer Sonnenbrille und einem Sonnenhut weiter reduzieren. Auch befeuchtende Augentropfen und Meersalznasenspülungen sind ein nichtmedikamentöser Ansatz.
Aufgrund der unterschiedlichen Vegetationsperioden sollte eine „Flucht“ in die Berge, ans Meer oder in andere Bereiche Europas mit Vorsicht geplant werden. Denn hierbei besteht die Gefahr, von einer Belastungsperiode in die nächste zu reisen. Um die Planung zu vereinfachen und dabei zu unterstützen, bietet der Österreichische Polleninformationsdienst Belastungslandkarten für Europa an.
Literatur:
1 Hemmer W et al.: Endbericht 2009 zur Studie: Prävalenz der Ragweedpollen-Allergie in Ostösterreich. St. Pölten: Amt der NÖ. Landesregierung, Landesamtsdirektion, Abteilung Gebäudeverwaltung, Amtsdruckerei, 2010 2 The Angiosperm Phylogeny Group. An update of the Angiosperm Phylogeny Group classification for the orders and families of flowering plants: APG III. Botanical Journal of the Linnean Society 2009; 161(2):105-21 3 Bastl M et al.: Late exposure to grass pollen in September: the case of phragmites in Burgenland. Grana 2020; 59(1): 25-32 4 Berger M et al.: Impact of air pollution on symptom severity during the birch, grass and ragweed pollen period in Vienna, Austria: Importance of O3 in 2010–2018. Environ Pollut 2020; 263: 114526 5Thien F et al.: Thunderstorm asthma: current perspectives and emerging trends. J Allergy Clin Immunol Pract 2025; 13(6): 1273-80
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