COPD-Screening in Österreich
Autor:
OA Dr. Tobias Mraz
Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten
Standort Penzing der Klinik Ottakring
Ludwig Boltzmann Institut für Lungengesundheit Wien
E-Mail: tobias.mraz@leadstudy.at
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Auch in Österreich zählt die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zu jenen Erkrankungen mit der höchsten Morbidität und Mortalität. Da mit den derzeitigen therapeutischen Optionen im Idealfall meist nur eine Stabilisierung oder Verhinderung einer Progression erreicht werden kann, spielt die Früherkennung eine große Rolle.
Keypoints
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Die Prävalenz der COPD in Österreich beträgt 5–15%, davon sind aber nur rund 20% auch diagnostiziert.
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Meist steht zur Diagnose ein „case finding“ mittels Fragebögen und Spirometrie im Vordergrund, aber auch Befunde im Rahmen des CT-Lungenkarzinomscreenings könnten herangezogen werden.
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Die regelmäßige Bestimmung der Lungenfunktion mittels Spirometrie kann dynamische Entwicklungen aufzeigen und somit zur Früherkennung beitragen.
Prävalenz in Österreich und weltweit
Zur Prävalenz der COPD in Österreich gibt es nur wenige Daten. Eine Untersuchung im Rahmen der BOLD(Burden of Obstructive Lung Disease)-Studie in Salzburg ergab im Jahr 2007 bei 1200 untersuchten Probanden >40 Jahre eine Prävalenz von fast 11% mit einer FEV1/FVC-Ratio <0,7 und einem FEV1 <80%.1 Von diesen Teilnehmer:innen hatten aber nur 50% auch tatsächlich eine bekannte COPD-Diagnose. Limitierend muss hier die Verwendung der fixierten Ratio erwähnt werden, die besonders im höheren Alter zur Überdetektion von obstruktiven Funktionsmustern führen kann.2
Eine rezentere Arbeit von Grasl et al. im Rahmen der Wiener LEAD(Lung, hEart, sociAl, body)-Studie (Abb.1) zeigte eine Prävalenz der fixierten Obstruktion (nach Bronchodilatation) um 5%, bei Verwendung der aktuell empfohlenen Definition mit FEV1/FVC < „lower limit of normal“ (LLN).3 Bei über 50-Jährigen steigt die Prävalenz auf fast 8%, wobei insgesamt über 20% der Betroffenen auch Nieraucher:innen waren. Da für diese Studie Teilnehmer:innen von 6–82 Jahren untersucht wurden, ist auch ein gewisser Anteil an reversiblen obstruktiven Ventilationsstörungen wie bei Asthma bronchiale zu erwarten. Eine weitere Arbeit von Lamprecht et al. im Rahmen der BOLD-Studie untersuchte weltweit die Prävalenzen von diagnostizierter und undiagnostizierter COPD.4 Dabei lag die Rate an bisher unentdeckten COPD-Erkrankungen, wie auch in Österreich, durchschnittlich um 90%.
Abb. 1: Prävalenz der Obstruktion (FEV1/FVC < LLN) in der österreichischen Bevölkerung (modifiziert nach Grasl MT et al. 2024)13
Zusammenfassend wurde somit gezeigt, dass die meisten COPD-Erkrankungen nicht rechtzeitig gefunden werden können. Dies führt in der Folge zur Verzögerung von wichtigen Interventionen wie dem Rauchstopp oder medikamentöser inhalativer Therapie, die einen weiteren Verlust von Lungenfunktion verhindern könnten.
Wege zur frühzeitigen Diagnose: Screening und „case finding“
Nun stellt sich die Frage, wie eine frühere Diagnose von COPD gelingen könnte. Dazu kommt immer wieder der Begriff des Screenings auf. Hier müssen zunächst die beiden Begriffe Screening vs. „case finding“ erläutert werden. Während beim Screening große Teile von gesunder Bevölkerung untersucht werden, zielt „case finding“ darauf ab, Patient:innen, die bereits erste Symptome zeigen, rasch zu identifizieren. Aus diesen Unterschieden ergeben sich auch verschiedene Vor- und Nachteile. Ein Screening-Programm läuft Gefahr, schnell sehr aufwendig und kostenintensiv zu werden, da viele gesunde Proband:innen untersucht werden müssen. Dadurch kann es insgesamt sehr ungenau und ineffizient werden. Ein Vorteil kann aber die Erkennung von Pathologien sein, bevor die Krankheit die Patient:innen klinisch beeinträchtigt. Im Gegensatz dazu kann ein „case finding“ sehr zielgerichtet auf eine bestimmte Risikogruppe zugeschnitten werden und in Kombination von Tests mit Abfragen von Symptomen eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit erreichen. Nachteilig wäre dabei eine möglicherweise spätere Detektion der Krankheit und Ausschluss von Personen, die nicht in die typische Risikokonstellation passen. Für beide Formen gibt es Anwendungen bei der COPD-Erkennung.
„Case finding“ mittels Fragebögen
Im Rahmen des „case finding“ wurde zum Beispiel der „COPD Assessment in Primary Care to identify Undiagnosed Respiratory Disease & Exacerbation Risk“- (CAPTURE™)-Fragebogen entworfen. Mit 5 kurzen Fragen wird die Wahrscheinlichkeit einer COPD ermittelt, wobei zusätzlich noch eine Spirometrie oder Peakflowmetrie erfolgen kann. Ziel ist es, besonders im Bereich der Primärversorgung z.B. bei Allgemeinmediziner:innen, die Awareness für respiratorische Erkrankungen zu erhöhen und die Patient:innen mit typischen Symptomen früher zu einem Lungenspezialisten zu bringen. Real-Life-Daten aus den USA lieferten bisher aber keine eindeutigen Daten zum Erfolg dieses Tools.5,6
Einem ähnlichen Prinzip folgte eine österreichische Studie, erneut aus Salzburg. Weiss et al. zeigten in einer ersten Studie 2014 auf, dass bei Allgemeinmediziner:innen unter den mittels symptomorientierter Fragebögen als auffällig klassifizierten Patient:innen letztendlich nur 22% eine COPD-Diagnose aufwiesen.7 Daraufhin wurde im Jahr 2017 der Salzburg COPD-Questionnaire veröffentlicht, der über 5 Fragen die Vortestwahrscheinlichkeit ermittelt und bei ≥2 Punkten eine weiterführende Spirometrie empfiehlt.8
Ein neuer Anlauf zum „case finding“ wurde mit den Future Health Labs, einer Kooperation von AstraZeneca, der Österreichischen Gesundheitskasse und der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie, gestartet. Dabei wurde in 21 Ordinationen oder Primärversorgungszentren ein dem CAPTURE-Tool analog gestalteter Fragebogen aufgelegt, um aktuelle Prävalenzdaten zu generieren. Die Studie lief von Ende 2024 bis Mitte 2025, die Daten sind bisher noch nicht ausgewertet (Stand 18.11. 2025).
Screening mit Low-Dose-Thorax-CT
Eine neue Chance für ein COPD-Screening könnte das bereits in manchen Ländern etablierte Lungenkrebs-Screening mittels Low-Dose-Thorax-CT (LDCT) bieten. Daten aus den USA zeigten bei bis zu 30% der untersuchten Personen ein Lungenemphysem als Nebenbefund.9 Von diesen wiederum hatten nur 10–20% bereits eine COPD-Diagnose. Das ist insofern von Bedeutung, da diese Personen auch bei noch normaler Spirometrie bereits vermehrt Symptome aufweisen können und ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Obstruktion sowie eine höhere Mortalität aufweisen.10,11
Offene Fragen zur Emphysemdetektion mittels CT sind eine einheitliche Klassifikation sowie welche therapeutischen Interventionen neben einem Rauchstopp angewendet werden könnten. Auch in Österreich wird momentan im Rahmen der LEAD-Studie in einer Subpopulation mit entsprechenden Risikofaktoren ein Pilotprojekt mit Thorax-CT zum Lungenkarzinomscreening bei 380 Teilnehmer:innen durchgeführt. Eine Emphysemquantifizierung erfolgt dabei zusätzlich und kann in Kombination mit longitudinalen Daten zur Lungenfunktion neue interessante Erkenntnisse zu Progression von COPD und respiratorischen Symptomen liefern.
„Lung function trajectories“
Da die meisten dieser Strategien auf die Erkennung von Patient:innen erst nach Entstehung von funktionellen und radiologischen Einschränkungen zielen, stellt sich zunehmend die Frage, ob Personen mit höherem Risiko bereits früher identifiziert werden können. Dazu hat sich in den letzten Jahren das Konzept von „lung function trajectories“ etabliert. Dieses umfasst die Überlegung, dass während des Lungenwachstums und der schließlich erreichten maximalen Lungenfunktion bereits der Grundstein zur zukünftigen Krankheitsentwicklung gelegt wird. Da die Lungenfunktion über die Lebensspanne natürlicherweise langsam abnimmt, haben Individuen, die bereits im jungen Erwachsenenalter kein optimales Lungenwachstum erreicht haben, ein höheres Risiko, im Verlauf nach Einwirken von verschiedenen Noxen eine Lungenerkrankung zu entwickeln.12 Somit kann die Krankheitsentstehung einerseits durch einen raschen Abfall der Lungenfunktion durch schädliche Noxen wie Nikotinkonsum, aber auch durch eine niedrige Ausgangsfunktion bedingt sein. Im Gegensatz dazu können Individuen mit sehr guter Lungenfunktion mehr schädliche Einflüsse kompensieren. Eine genaue longitudinale Beurteilung setzt damit aber eine regelmäßige Messung der Lungenfunktion voraus, um einen Abfall über der Norm rechtzeitig zu erkennen (Abb.2).13 Dazu wurde auch ein „lung function tracker“ der Global Lung Function Initiative vorgestellt, mit dem das Monitoring der Lungenfunktion, ähnlich dem von Wachstumsperzentilen, über eine längere Zeitspanne möglich ist.14 Um Werkzeuge wie dieses effektiv verwenden zu können, sollte somit bereits im Kindesalter regelmäßig die Lungenfunktion mittels Spirometrie bestimmt werden. Dieser Ansatz wird durch das „Healthy Lungs for Life for Schools“-Projekt der European Lung Foundation unterstützt, um neben validen Messungen auch Aufklärung zur Lungengesundheit zu betreiben. Auch bereits in Österreich wurden dafür in Wien über die LEAD-Studie mittels mobiler Spirometrie Schulkinder zwischen 7 und 14 Jahren untersucht.15
Abb. 2: Verschiedene „lung function trajectories“ im Verlauf des Alters (modifiziert nach Mélen E et al. 2024)13
Zusammenfassung
Zusammenfassend muss auch in Österreich davon ausgegangen werden, dass bis zu 80% der COPD-Patient:innen nicht diagnostiziert sind. Verschiedene Werkzeuge wie Fragebögen, Lungenfunktionsmessungen und CT-Untersuchungen können auch im Bereich der Primärversorgung zu einer frühzeitigen Diagnosestellung beitragen. Besonders wichtig ist hierbei die niederschwellige Zuweisung zur Spirometrie, die weiterhin der Goldstandard zur COPD-Diagnose bleibt. Im Rahmen des technischen Fortschrittes mit zunehmender Verfügbarkeit von kleinen und kostengünstigen Spirometern rückt auch das Monitoring der Lungenfunktion zur Überwachung der Lungengesundheit immer mehr in den Fokus.
Literatur:
1 Schirnhofer L et al.: COPD prevalence in Salzburg, Austria: results from the Burden of Obstructive Lung Disease (BOLD) Study. Chest 2007; 131(1): 29-36 2 Stanojevic S et al.: ERS/ATS technical standard on interpretive strategies for routine lung function tests. Eur Respir J 2022; 60(1): 2101499 3 Grasl MT et al.: Prevalence and etiotypes of persistent airflow obstruction in the general population across the lifetime. Respir Med 2024; 233: 107779 4 Lamprecht B et al.: Determinants of underdiagnosis of COPD in national and international surveys. Chest 2015; 148(4): 971-85 5 Martinez FJ et al.: Discriminative accuracy of the CAPTURE Tool for identifying chronic obstructive pulmonary disease in US primary care settings. JAMA 2023; 329(6): 490-501 6 Martinez FJ et al.: Impact of the CAPTURE chronic obstructive pulmonary disease screening tool in U.S. Primary care: a cluster-randomized trial. Am J Respir Crit Care Med 2025; 211(5): 789-802 7 Weiss G et al.: Detection of chronic obstructive pulmonary disease in primary care in Salzburg, Austria: findings from the real world. Respir 2014; 87(2): 136-43 8 Weiss G et al.: Development and validation of the Salzburg COPD-screening questionnaire (SCSQ): a questionnaire development and validation study. NPJ Prim Care Respir Med 2017; 27(1): 4 9 Mulshine JL et al.: Emphysema detection in the course of lung cancer screening: optimizing a rare opportunity to impact population health. Ann Am Thorac Soc 2023; 20(4): 499-503 10 Alcaide AB et al.: Clinical features of smokers with radiological emphysema but without airway limitation. Chest 2017; 151(2): 358-65 11 Oh AS et al.: Visual emphysema at chest CT in GOLD stage 0 cigarette smokers predicts disease progression: results from the COPDGene study. Radiol 2020; 296(3): 641-9 12 Lange P et al.: Lung-function trajectories leading to chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2015; 373(2): 111-22 13 Melén E et al.: Lung-function trajectories: relevance andimplementation in clinical practice. Lancet 2024; 403(10435):1494-503 14 https://gli-calculator.ersnet.org/lung_tracker/# ; zuletzt aufgerufen am 18.11.2025 15 https://europeanlung.org/en/get-involved/events/healthy-lungs-for-life-for-schools-vienna-2024/ ; zuletzt aufgerufen am 18.11.2025
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