
Fortschritte beim Urothelkarzinom
Bericht:
Dr. Ine Schmale
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Für die urologischen Entitäten konnten beim diesjährigen Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology viele wichtige Fortschritte verzeichnet werden. Insbesondere die Behandlung des Urothelkarzinoms bot für viele Betroffene vielversprechende und richtungsweisende Studien.
Addition von Mitomycin C alternativ zur alleinigen BCG-Instillation
Die intravesikale Gabe von BCG (Bacillus Calmette-Guérin) ist Standard für die Behandlung des nichtmuskelinvasiven Harnblasenkarzinoms (NMIBC). Seit 2013 ist BCG nur begrenzt verfügbar.
In der Phase-III-Studie ANZUP 1301 wurde die ergänzende Gabe von Mitomycin C zu BCG untersucht.1 Therapienaive Patient:innen mit Hochrisiko-NMIBC erhielten in der randomisierten StudieANZUP 1301 entweder intravesikal appliziertes BCG als Induktions- und Erhaltungstherapie oder zusätzlich bzw. alternativ Mitomycin C. Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS). Es wurden insgesamt 501 Patient:innen mit einem durchschnittlichen Alter von 69 (±11) Jahren eingeschlossen. Etwa die Hälfte der Erkrankten wies ein Tumorstadium T1 bzw. Ta auf.
Im Ergebnis wurde kein Unterschied bezüglich des DFS zwischen den beiden Studienarmen gesehen (HR: 0,87; 95%CI: 0,65–1,16; p=0,34). Nach 24 Monaten lebten 75% der Patient:innen, die zusätzlich mit Mitomycin C behandelt wurden, krankheitsfrei, vs. 71% der Patient:innen ohne Mitomycin C. Der Anteil an Patient:innen mit progressionsfreiem Überleben (PFS) nach 24 Monaten betrug 92% vs. 90%. Bei einer Zystoskopie nach 3 Monaten zeigten 90% vs. 86% der Patient:innen ein komplettes Ansprechen (CR). Nach 5 Jahren betrug die Gesamtüberlebensrate 88% vs. 87%.
Fazit: Die Behandlung mit BCG plus Mitomycin C ist ähnlich effektiv und verträglich verglichen mit der alleinigen BCG-Instillation. Ein Vorteil war, dass mit Einbindung der Chemotherapie 40% weniger BCG-Dosen gebraucht wurden.
Cisplatin-ungeeignete Erkrankte: finale Resultate von CheckMate 901
In der offenen, randomisierten Phase-III-Studie CheckMate 901 wurde die Behandlung mit Nivolumab plus Ipilimumab (4 Zyklen) gefolgt von Nivolumab mono (bis zu 24 Monate) mit Gemcitabin plus Cisplatin/Carboplatin (6 Zyklen) verglichen.2 In die Kohorte der Cisplatin-ungeeigneten Patient:innen wurden insgesamt 445 Betroffene eingeschlossen. Primäre Studienendpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) der Kohorte der Cisplatin-ungeeigneten Patient:innen sowie von Betroffenen mit einer PD-L1-Expression ≥1%.
Mit einer Nachbeobachtungszeit von 69,2 Monaten wurden beim ASCO 2025 die finalen Ergebnisse der Studie veröffentlicht. Die mediane Zeit bis zur Beendigung der Therapie betrug 2,2 Monate im Nivolumab-plus-Ipilimumab-Arm vs. 3,8 Monate im Gemcitabin-plus-Carboplatin-Arm. Der Therapieabbruch erfolgte bei 28% vs. 11% aufgrund der Nebenwirkungen und bei 40% vs. 27% aufgrund des Krankheitsprogresses. Nur 46% der Patient:innen komplettierten 4 Zyklen Nivolumab plus Ipilimumab, 12% die Nivolumab-Monotherapie sowie 44% 6 Zyklen der Chemotherapie.
Die CheckMate-901-Studie erreichte die präspezifizierte Grenze für einen signifikanten Vorteil der Immuntherapie bei Cisplatin-ungeeigneten Patient:innen nicht (HR: 0,79; 98,7% CI: 0,61–1,01; p=0,0245). Die Kaplan-Meier-Kurven für das OS teilten sich nach 12 Monaten und blieben konsistent getrennt, mit Vorteil für die Immuntherapie (Abb.1). Nach 3Jahren lebten 29,6% der Patient:innenim experimentellen Arm vs. 19,3% derjenigen im Kontrollarm; nach 5Jahren waren es 23,0% vs. 14,4%. Das mediane OS lag bei 19,1 Monaten vs. 13,2 Monate. Auch der zweite primäre Endpunkt, ein OS-Vorteil bei PD-L1-Expression ≥1, wurde nicht erreicht (HR: 0,87; 97,48% CI: 0,61–1,23; p=0,364). Für alle in der Studie randomisierten Patient:innen wurde aber ein Vorteil von Nivolumab plus Ipilimumab gegenüber Gemcitabin plus Platinderivat beobachtet (HR: 0,78; 95% CI: 0,66–0,92).
Abb. 1: Gesamtüberleben (OS) Cisplatin-ungeeigneter Patient:innen unter Nivolumab plus Ipilimumab versus Gemcitabin plus Carboplatin (modifiziert nach van der Heijden MS et al. 2025)2
Das PFS betrug median 5,3 vs. 5,9 Monate, die Kaplan-Meier-Kurven trennten frühzeitig und blieben getrennt. Nach 12Monaten lebten 31,5% vs. 17,2% der Patient:innen ohne Progress, nach 3 Jahren 20% vs. 4,9% und nach 60 Monaten 16,8% vs. 4,9%. Es sprachen 35,3% vs. 38,8% auf die Studienmedikation an. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 25,0(95%CI: 14,8–61,8) vs. 7,4 Monate(95% CI: 5,8–8,5). Neue Sicherheitssignale gab es nicht.
Fazit: CheckMate 901 erreichte die primären Endpunkte nicht. Patient:innen mit einem Ansprechen profitierten aber langfristig von der Immuntherapie. Nach 60 Monaten lebten 23,0% vs. 14,4% der Cisplatin-ungeeigneten Patient:innen.
Erstlinientherapie mit Enfortumab Vedotin + Pembrolizumab bestätigt
Die Phase-III-Studie EV-302/KEYNOTE-A39 prüfte in der ersten Therapielinie bei Patient:innen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom die Kombination Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab gegen den Chemotherapiestandard Cisplatin/Carboplatin plus Gemcitabin. Duale primäre Endpunkte waren das PFS und das OS. Ein Ansprechen wurde bei 67,5% vs. 44,2% der Patient:innen gesehen, mit CR bei 30,4% vs. 14,5%. Eine explorative Analyse zum Ansprechen auf die Studienmedikation zeigte keine Signale bezüglich einer präferentiellen Erkrankungscharakteristik bei Diagnose.3 Es sprachen alle Patientengruppen häufiger auf Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab als auf Chemotherapie an.
Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 23,3 Monate für die experimentelle Kombination vs. 7,0 Monate unter Chemotherapie. Nach 12 Monaten waren 67,5% vs. 35,1% und nach 24 Monaten 49,4% vs. 24,0% der ansprechenden Patient:innen in anhaltender Remission, unabhängig von der Cisplatin-Eignung der Patient:innen. Patient:innen in CR zeigten eine längere Dauer des Ansprechens unter Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab vs. Chemotherapie. Nach 12 Monaten waren 84,3% vs. 60% der Patient:innenund nach 24 Monaten 74,3% vs. 43,2% in kompletter Remission. Bei partieller Remission (PR) hielt das Ansprechen unter Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab bei 49,0% der Betroffenen 12 Monate und bei 23,4% der Patient:innen 24 Monate an. Unter Chemotherapie zeigten nur 11,3% bzw. 8,2% eine anhaltende PR. Nach 2 Jahren lebten noch 76,3% vs. 59,8% aller ansprechenden Patient:innen in den beiden Studienarmen sowie 95,4% vs. 85,8% der Patient:innen mit CR.
Fazit: Die Ergebnisse der Subgruppenanalyse von Patient:innen mit Therapie-ansprechen bestätigen Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab als Erstlinienstandard beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom unabhängig von der Patientencharakteristik, einschließlich der Cisplatin-Eignung.
ctDNA beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom
In der Phase-III-Studie NIAGARA wurde die Durvalumab-haltige perioperative Behandlung von Patient:innen mit muskelinvasivem Blasenkarzinom untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass die perioperative Gabe von Durvalumab zusätzlich zu einer neoadjuvanten Chemotherapie mit radikaler Zystektomie das ereignisfreie Überleben (EFS) und das OS signifikant verlängert. Beim ASCO 2025 wurden die Ergebnisse einer explorativen Analyse zur zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) und zu einem Zusammenhang mit dem klinischen Outcome präsentiert.4
In der offenen, randomisierten Studie NIAGARA erhielten insgesamt 1063 Cisplatin-geeignete Erkrankte mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom neoadjuvant 4 Zyklen Durvalumab plus Gemcitabin und Cisplatin oder nur die Chemotherapie. Nach radikaler Zystektomie wurden adjuvant weitere 8 Zyklen Durvalumab appliziert oder es wurde im Kontrollarm keine weitere Studienmedikation gegeben. Eine ctDNA-Analyse war für 237 Patient:innen im Durvalumab-Arm und 225 Patient:innen im Kontrollarm möglich. Im Ergebnis wurde eine Abnahme detektierbarer ctDNA nach der neoadjuvanten Therapie von 57% auf 22% der Patient:innen beobachtet. Nach radikaler Zystektomie sank die Anzahl an Patient:innen mit ctDNA-Nachweis auf 9%. Auf die Studienarme verteilt wiesen zu Therapiebeginn 58% der Betroffenen im Durvalumab-Arm vs. 55% im Kontrollarm ctDNA auf, nach neoadjuvanter Therapie waren es 19% vs. 26% und nach radikaler Zystektomie 10% vs. 8%.
Die ctDNA-Detektion war prognostisch für das EFS. Bei ctDNA-negativen Patient:innen wurde das Risiko für ein Ereignis um 58% vs. der ctDNA-positiven Gruppe reduziert (HR: 0,42; 95% CI: 0,30–0,60). Im Vergleich der Studienarme betrug die Risikoreduktion mit Durvalumab bei ctDNA- negativen Patient:innen 55% (HR: 0,45; 95% CI: 0,24–0,84) bei ctDNA-positiven Patient:innen 27% (HR: 0,73; 95% CI: 0,51–1,05). Eine ctDNA-Clearance von Therapiebeginn bis zur Zystektomie wurde häufiger im Durvalumab-Arm verglichen mit dem Kontrollarm (70% vs. 57%) erreicht. Bei Patient:innen mit ctDNA-Clearance reduzierte sich das Risiko für ein Ereignis um 68% vs. Patient:innen mit persistierender ctDNA (HR: 0,32; 95% CI: 0,22-0,47). Eine pathologisch komplette Remission (pCR) wurde bei ctDNA-negativen Patient:innen bei etwa der Hälfte der Erkrankten vor Durchführung der Zystektomie beobachtet, wogegen nur 3% der ctDNA-positiven Patient:innen eine pCR erreichten. Erkrankte, die nach Zystektomie eine ctDNA-negative Erkrankung und eine pCR aufwiesen, lebten länger krankheitsfrei verglichen mit ctDNA-negativen Patient:innen, die keine pCR erreichten (HR: 0,41; 95% CI: 0,23–0,72).
Die ctDNA-Detektion nach der Zystektomie war mit einer Hazard-Ratio von 0,09 (95% CI: 0,05–0,18) prognostisch für das DFS. Im Durvalumab-Arm profitierten Patient:innen mit negativem ctDNA-Status stärker als Patient:innen im Kontrollarm (HR: 0,49; 95%-KI 0,28–0,84).
Fazit: Die ctDNA-Analyse im Rahmen der NIAGARA-Studie zeigte ein großes Potenzial als prognostischer Biomarker und unterstrich den Stellenwert einer perioperativen Durvalumab-Therapie beim muskelinvasiven Harnblasenkarzinom.Durvalumab wurde mittlerweile von der EMA zugelassen – siehe Info dazu im Heft.
Quelle:
Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO), 30. Mai bis 3. Juni 2025, Chicago und online
Literatur:
1 Hayne D et al.: Mitomycin plus BCG as adjuvant intravesical therapy for high-risk, non–muscle-invasive bladder cancer: A randomized phase 3 trial (ANZUP 1301). ASCO 2025; Abstr. #LBA4504 2 van der Heijden MS et al.: Nivolumab plus ipilimumab vs gemcitabine-carboplatin chemotherapy for previously untreated unresectable or metastatic urothelial carcinoma: final results for cisplatin-ineligible patients from the CheckMate 901 trial. ASCO 2025; Abstr. #4500 3 Gupta S et al.: Expolartory analysis of responders from the phase 3 EV-302 trial of enfortumab vedotin plus pembrolizumab vs chemotherapy in previously untreated locally advanced or metastatic urothelial carcinoma. ASCO 2025; Abstr. #4502 4 Powles T et al.: Circulating tumor DNA (ctDNA) in patients with muscle-invasive bladder cancer (MIBC) who received perioperative durvalumab (D) in NIAGARA. ASCO 2025; Abstr. #4503
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