
Sjögren-Syndrom: lymphoproliferative Erkrankungen als häufige Komplikation
Bericht:
Ines Schulz-Hanke
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Das B-Zell-getriebene Sjögren-Syndrom (SjS) ist mehr noch als der systemische Lupus erythematodes oder die rheumatoide Arthritis (RA) mit einem Lymphomrisiko verknüpft, das aus der Pathogenese der Erkrankung resultiert.
Keypoints
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In der französischen Bevölkerung treten Lymphome bei Menschen mit SjS mit einer Prävalenz von 4% auf.
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SjS-Patienten mit den Risikofaktoren männliches Geschlecht, Kryoglobulinämie und monoklonale Gammopathie sollten bezüglich der Entwicklung eines Lymphoms engmaschig überwacht werden.
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Die Kontrolle der Krankheitsaktivität mittels DMARDs könnte möglicherweise dazu beitragen, das Lymphomrisiko zu senken. Diese Assoziation konnte für die rheumatoide Arthritis bereits belegt werden. Zukünftige Studien sollten sie adressieren.
Eine populationsbasierte Studie aus Frankreich klärt Risikofaktoren. Bei Menschen mit SjS seien es in der Regel Non-Hodgkin(NH)-B-Zell-Lymphome (>90%), die die affektierten Organe beträfen. Das erkläre die Prädominanz des Subtyps milder Marginalzonenlymphome der Speicheldrüsen (60%). Ihm folge das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (20%), ein hochgradiges NH-Lymphom, das zur erhöhten Mortalität des SjS beitrage, führte Dr. Pierre-Marie Duret, Colmar, Frankreich, bei seinem Vortrag anlässlich des EULAR-Kongresses 2024 aus. Außerdem gebe es weitere Subtypen follikulärer Lymphome, die einen kleineren Anteil ausmachten (5%).1
Die epidemiologische und immunpathogenetische Assoziation zwischen SjS und Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) sei gut etabliert, unterliege jedoch einer gewissen Unsicherheit, da die Daten häufig aus Zentren der Tertiärversorgung stammten und daher fortgeschrittene Erkrankungen reflektierten.2 Zudem sei die Erfassung der Fälle nur eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund untersuchten Duret et al. die Prävalenz lymphoproliferativer Erkrankungen bei Menschen mit primärem oder sekundärem SjS sowie die Risikofaktoren SjS-assoziierter Lymphome anhand von Daten aus dem französischen Informationssystem zur Gesundheitsversorgung (SNDS), das nahezu die gesamte Bevölkerung Frankreichs abdeckt.3
Bevölkerungsbasierte Daten
Da die Erkrankung nicht anhand klinischer oder biologischer Daten gemäß den ACR-EULAR-Kriterien festgestellt werden konnte, setzten Duret et al. zur Fallerfassung einen validierten Algorithmus ein. Dieser nutzte den ICD-10-Code des SjS (ohne oder mit Codierung für eine weitere rheumatische Erkrankung) sowie mindestens zwei Verordnungen für wenigstens eine spezifische Behandlung, etwa für topische Arzneimittel, künstliche Tränen, Immunsuppressiva oder Therapeutika gegen die Sicca-Symptomatik wie Pilocarpin.4 Die Forschenden analysierten die Lymphomprävalenz zwischen 2009 und 2022 bei Menschen mit primärem SjS oder assoziiertem SjS (RA, SLE, systemische Sklerose [SSc], andere Bindegewebserkrankungen [CTD] oder juvenile idiopathische Arthritis [JIA]) beziehungsweise in der gesamten SjS-Gruppe.
Von 46012 validen Fällen lag in 66% ein primäres SjS vor und in 34% eine assoziierte Form (20% RA, 10% SLE, 6% SSc). Die Zahl der pädiatrischen Patienten war gering und das mediane Alter lag bei 60 Jahren, erwartungsgemäß waren Frauen häufiger an einem SjS erkrankt, nämlich zu rund 90% in allen drei Gruppen. Rund 41% der Patientinnen und Patienten erhielten Hydroxychloroquin, 20% Methotrexat und 9% Rituximab. Vor allem Menschen mit assoziierten Formen des SjS wurden mit Immunsuppressiva therapiert, was logisch sei, da sie an RA oder SLE litten, befand Duret.
Lymphomprävalenz bei primärem und assoziiertem SjS
Die Lymphomprävalenz erreichte 4,1% bei Menschen mit primärem SjS und 3,1% bei jenen mit assoziiertem SjS. Andere lymphoplasmozytische Erkrankungen waren selten: In der Gesamt-SjS-Population traten multiple Myelome mit einer Prävalenz von 0,7% auf, für Morbus Waldenström und chronische lymphatische Leukämie ergaben sich Prävalenzen von 0,4% und 0,9%. In der Kohorte mit primärem SjS erreichten alle lymphoproliferativen Erkrankungen zusammen eine Prävalenz von 11%. Und alle Lymphome (B-Zell-, T-Zell- und Hodgkin-Lymphome) zusammen traten mit einer Prävalenz von 4% auf, so Duret. Die überwiegende Zahl stellten die Marginalzonenlymphome mit 60%, gefolgt von diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen mit 25%, was den bisherigen Literaturdaten entspricht.
Wer trägt ein erhöhtes Risiko?
Eine signifikante Assoziation mit einem erhöhten Lymphomrisiko ließ sich insbesondere für drei Faktoren beobachten: männliches verglichen mit weiblichem Geschlecht (17% vs. 10%), kryoglobulinämische Vaskulitis (10% vs. 2%) und monoklonale Gammopathie (10% vs. 3%). Mit den beiden Letzteren bestätigte die Studie zwei bereits bekannte wichtige prädiktive Faktoren. Zudem waren Patienten mit Lymphom bei gleicher Krankheitsdauer etwas älter als erwartet.
Interessanterweise erhielten Menschen ohne Lymphom häufiger Hydroxychloroquin, Methotrexat, Leflunomid oder Mycophenolat, was darauf schließen lasse, dass eine bessere Kontrolle der Krankheitsaktivität mithilfe von „disease-modifying antirheumatic drugs“ (DMARDs) dazu beitragen könnte, dem Lymphomrisiko entgegenzuwirken. Allerdings seien diese Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren, schränkte Duret ein. Lymphompatientinnen und -patienten bekamen häufiger Cyclophosphamid und Rituximab, was sich damit erklären lasse, dass diese Bestandteile von Chemotherapieregimes seien.
Mit 30% gegenüber 15% war die Mortalität bei Menschen mit Lymphom höher als bei jenen ohne, was die besondere Bedeutung der Lymphome bei SjS bestätige. Die Hälfte der Todesfälle war mit Lymphomen assoziiert, betonte Duret.
Zu den Stärken der Studie gehöre, dass eine der größten Kohorten mit 46000 Teilnehmenden und rund 2000 Lymphomen analysiert und beinahe die gesamte französische Bevölkerung abgedeckt worden sei. Zudem seien ein validierter Algorithmus und multiple Codes eingesetzt worden, um die Fälle umfassend zu identifizieren. Zu den Limitationen zähle das Fehlen klinischer und biologischer Daten, mit deren Hilfe sich die Krankheitsaktivität hätte einschätzen lassen.
Quelle:
„Nationwide epidemiology of lymphoproliferative disorders complicating Sjögren disease (SD): data on 46,012 patients with SD and 1749 lymphomas from the French healthcare information system“, Vortrag von Dr. Pierre-Marie Duret, Colmar, im Rahmen der Bench-to-Bedside-Session „Sjögrenʼs Syndrome“ anlässlich des EULAR-Kongresses im Juni 2024 in Wien
Literatur:
1 Mariette X et al.: Primary Sjögren´s Syndrome. N Engl J Med 2018; 378(10): 931-9 2 Beydon N et al.: Epidemiology of Sjögren syndrome. Nat Rev Rheumatol 2024; 20(3): 158-69 3 Duret PM et al.: Poster 0858, EULAR 2024 4 Seror R et al.: Estimated prevalence, incidence and healthcare costs of Sjögren´s syndrome in France: a national claims-based study. RMD Open 2024; 10(1): e003591
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