
3D-Korrekturen an der oberen Extremität
Autor:
OA Priv.-Doz. Dr. Sebastian Farr
Orthopädisches Spital Wien-Speising
E-Mail: sebastian.farr@oss.at
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Die technische Entwicklung der letzten Jahre ermöglicht es mittlerweile, komplexe knöcherne Deformitäten realitätsgetreu mit dreidimensionaler Planung darzustellen. So können nicht nur posttraumatische Fehlstellungen vor einer operativen Korrektur im Detail analysiert werden, sondern es können auch maßgeschneiderte Schnittblöcke kreiert werden, die eine ganz präzise und einfachere Operation ermöglichen.
Keypoints
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Die Möglichkeit der 3-dimensionalen Osteotomieplanung anhand der Referenzierung an der gesunden Gegenseite eröffnet neue Möglichkeiten für exaktere, schneller durchführbare und somit belastungsärmere Korrekturosteotomien.
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Insbesondere posttraumatische Fehlstellung an der oberen Extremität, besonders jene am distalen Humerus, Unterarmschaft und distalen Radius, können durch diese Methode präzise adressiert werden.
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Die Literaturergebnisse sind in vielerlei Hinsicht vielversprechend, auch wenn sich die funktionellen Scores noch nicht relevant von den konventionellen Methoden unterscheiden.
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Chirurgen, die diese technischen Methoden anwenden, sollten jedenfalls das Kernproblem der Fehlstellung und deren Korrektur verstehen, falls intraoperativ auf eine konventionelle Technik umgestiegen werden muss.
Posttraumatische Deformitäten sind eine relativ häufige Komplikation nach konservativer oder operativer Versorgung von Frakturen an der oberen Extremität. Auch wenn Kinder und Jugendliche ein gewisses, altersabhängig abnehmendes Potenzial zum knöchernen Remodeling zeigen, verbleiben oftmals Achsabweichungen, die die Funktion beeinträchtigen können. Während z.B. proximale Humerusfehlstellungen (Humerus varus/valgus) sehr selten Probleme verursachen, können distale Fehlstellungen (Cubitus varus/valgus, Extensionsfehlstellung) hingegen sowohl kosmetisch als auch funktionell (Flexionsdefizit, Instabilität, Nervenirritation usw.) störend sein. Insbesondere jene kombinierten Rotationsachsfehler bedürfen einer komplexen dreidimensionalen Korrektur, die technisch herausfordernd sein kann. Weitere häufige Fehlstellungen finden sich im Bereich des distalen Radius und proximalen Unterarms (nach Monteggia-Fraktur) sowie im Unterarmschaftbereich nach Antebrachii-Frakturen. Besonders die funktionelle Unterarmeinheit, bestehend aus Radius, Ulna, Membrana interossea sowie distalem und proximalem Radioulnargelenk (DRUG, PRUG), kann bereits durch milde Achsabweichungen in ihrer freien Beweglichkeit gestört sein. Während Korrekturosteotomien an einem einzigen Knochen technisch üblicherweise annehmbar sind, können insbesondere Unterarmfehlstellungen in Korrekturplanung und -umsetzung wesentlich schwieriger sein. Eine ungenaue Planung und/oder chirurgische Umsetzung können den OP-Erfolg gefährden und ein unzufriedenstellendes Ergebnis bewirken.
Abb. 1: Eine posttraumatische UA-Fehlstellung mit vollständig aufgehobener UA-Rotation (A) wird durch 3D-Planung dargestellt (B). In der axialen Ansicht ist eine gravierende Achsabweichung beider UA-Knochen erkennbar. Eine posttraumatische UA-Fehlstellung mit vollständig aufgehobener UA-Rotation (A) wird durch 3D-Planung dargestellt (B). In der axialen Ansicht ist eine gravierende Achsabweichung beider UA-Knochen erkennbar
Die patientenspezifische Planung hat bereits vor vielen Jahren im Bereich der Endoprothetik Einzug gehalten. So kann mittels CT- oder MRT-Bildgebung die exakte Patientenanatomie dreidimensional abgebildet werden und daraus können Schnittblöcke und Prothesen gefertigt werden. Auch im Bereich der oberen Extremität hat sich diese Technik immer weiter entwickelt. So finden u.a. 3D-gedruckte Prothesen bei angeborenen Fehlbildungen, Amputationen, spezifische Implantate bei Traumata oder Tumoren und 3D-gedruckte Orthesen zur Versorgung von Bewegungsstörungen Anwendung.1–5Auch die Verwendung 3D-gedruckter Schnittblöcke mitsamt entsprechender Osteosynthesematerialproduktion hat in den letzten Jahren stark zugenommen.6,7 Im folgenden Abschnitt werden Vor- und Nachteile dieser neuesten technischen Methode erläutert.
Abb. 2: Planung (A), intraoperative Umsetzung der Korrektur mittels patientenspezifischer Schablone (B) und postoperatives radiologisches Ergebnis (C)
Technische Voraussetzungen und Umsetzung
Zunächst wird üblicherweise eine CT-Bildgebung der betroffenen und kontralateralen, gesunden Extremität angefertigt.8,9 Die entsprechenden Daten werden danach aufbereitet und ein dreidimensionales grafisches Modell erstellt. Hierbei ist es möglich, die beiden Extremitäten übereinander zu projizieren, sodass der genaue Ort der Fehlstellung (Achsabweichung, Verkippung etc.) visualisiert werden kann. Anhand dieser Grafik kann nun der gewünschte Ort der knöchernen Korrektur festgelegt werden und die Osteotomie mitsamt gewünschtem Korrekturergebnis kann digital „durchgespielt“ werden. Der Planung sind hier kaum Grenzen gesetzt, sodass selbst schwerste Fehlstellungen verlässlich planbar sind. Ein wesentlicher nicht berücksichtigter Faktor ist jedoch die Weichteilspannung, die in die Planung miteinbezogen werden muss. Wie bei vielen Dingen ist auch hier die Erfahrung ein wichtiger Faktor, um abschätzen zu können, welche Fragmentverschiebungen oder Korrekturen spannungsarm möglich sind. In den meisten Fällen empfiehlt es sich, eine Verkürzung von wenigen Millimetern miteinzuberechnen, sodass die Umsetzung in situ leichter durchführbar wird. Nach Abschluss der Planung werden die patientenspezifischen Schnittblöcke und Platten produziert und geliefert. Im Rahmen der Operation wird der nun anatomisch exakt angepasste Schnittblock auf den freipräparierten Knochen aufgesetzt und die Osteotomie kann durch die vorgegebene Schnittrichtung schnell, effizient und fehlerlos umgesetzt werden, ebenso wie die Applikation der Plattenfixation durch vorgegebene Bohrlochsetzung. Vor- und Nachteile der Technik sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Ergebnisse in der Literatur
Eine rezente Metaanalyse untersuchte die Genauigkeit von 3D-Techniken zur Korrektur von pädiatrischen Extremitätenfehlstellungen. Unter 13 Studien mit 482 Patienten zeigten sich eine um im Durchschnitt 21 Minuten reduzierte OP-Dauer, eine mehr als dreifach reduzierte Bildwandlerstrahlung als auch eine 94-prozentig höhere Chance auf radiologisch bessere Ergebnisse im Vergleich zu konventionellen Techniken. Der verringerte Osteotomiefehler betrug im Durchschnitt lediglich 2°.10 Ein weiterer systematischer Review bestätigte diese Ergebnisse, wie auch einen zusätzlich reduzierten Blutverlust und eine – statistisch aber nicht signifikante – geringere Komplikationsrate.11 Vlachopoulos et al. zeigten, dass Closing-Wedge-Osteotomien eine höhere Rotationsgenauigkeit als Opening-Wedge-Osteotomien im Vergleich zur präoperativen Planung aufwiesen.9
Abb. 3: Ein weiterer Fall mit Radiusdysplasie-artiger Fehlstellung (A, B) durch frakturbedingte Wachstumsstörung des distalen Radius (C)
Bezugnehmend auf Cubitus-varus-Korrekturen zeigten Li et al. gleichwertige Ergebnisse bezüglich Bewegungsausmaß, Kosmetik und Outcome-Scores, allerdings bei leicht verbessertem radiologischem Ergebnis nach 24 Monaten.12 Auch Hu et al. bestätigten, dass zwar die radiologischen Parameter nach 3D-Technik besser waren (1° vs. 4° Abweichung zur gesunden Seite), funktionell aber keine relevanten Unterschiede erzielt werden konnten.13
Abb. 4: In der Planung zeigt sich eine massive UA-Verkürzung (A) neben der Achsabweichung. Die Planung und Umsetzung beinhaltet eine deutliche Aufrichtung des distalen Radiusplateaus zur Wiederherstellung einer annähernd normalen Anatomie (B)
Auch an der Klavikula wurde die Technik bereits erfolgreich angewandt. Cheema et al. untersuchten 18 Patienten nach Fehlstellung (7 Fälle) oder Pseudarthrose (11 Fälle) nach.14 Es zeigten sich eine 100-prozentige Heilungs- und Zufriedenheitsrate sowie ausgezeichnete Outcome-Scores nach den Verfahren.
Literatur:
1 Rao SR et al.: The use of patient-specific implants for the treatment of upper extremity fractures. Hand Clin 2023; 39(4): 489-503 2 Li Z et al.: Reconstruction of the proximal radius with 3D-printed personalized prosthesis after tumor resection: case series. J Shoulder Elbow Surg 2024; 33(3): 556-63 3 Ragni LB et al.: Design and use of a 3D-printed dynamic upper extremity orthosis for children with cerebral palsy and severe upper extremity involvement: A pilot study. Am J Occup Ther 2023; 77(4): 7704205060 4 Bhat AK et al.: functional assessment of 3D printed prosthesis in children with congenital hand differences-a prospective observational study. J Hand Surg Asian Pac Vol 2021; 26(4): 535-44 5 Gallego MLAR et al.: Unusual forearm deformity solved by 3d custom made guides. J Hand Surg Asian Pac Vol 2019; 24(4): 483-87 6 Reyniers P et al.: The role of 3D technology in corrective osteotomy for forearm malunion. J Hand Surg Eur Vol 2025; 50(6): 771-80 7 Cramer C et al.: Patientenspezifische 3D-Druck-Implantate und -Schablonen für Ellenbogen und Unterarm. Unfallchirurgie (Heidelb) 2025; 128(5): 342-50 8 Alonso E et al.: Computer aided multiplanar osteotomy using patient specific instrumentation to treat cubitus varus in children. Orthop Traumatol Surg Res 2024; 110(8): 103808 9 Vlachopoulos L et al.: Three-dimensional postoperative accuracy of extra-articular forearm osteotomies using CT-scan based patient-specific surgical guides. BMC Musculoskelet Disord 2015; 16: 336 10 Chua CXK et al.: Comparing the outcomes between conventional osteotomy and with the adjunct use of 3-dimensional printing in paediatric deformity osteotomy correction: a systematic review and meta-analysis. J Pediatr Orthop B 2025; doi: 10.1097/BPB.0000000000001242 11 Mounsef PJ et al.: Three-dimensional-printing-guided preoperative planning of upper and lower extremity pediatric orthopedic surgeries: A systematic review of surgical outcomes. J Child Orthop 2024; 18(4): 360-71 12 Li J et al.: 3D-printed model and osteotomy template technique compared with conventional closing-wedge osteotomy in cubitus varus deformity. Sci Rep 2022; 12(1): 6762 13 Hu X et al.: Clinical application of individualized 3D-printed navigation template to children with cubitus varus deformity. J Orthop Surg Res 2020; 15(1): 111 14 Cheema AN et al.: Virtual surgical planning and mirrored, 3-dimensionally printed guides for corrective clavicle osteotomies in clavicle malunions and nonunions. J Shoulder Elbow Surg 2023; 32(6): e311-e318
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